Betreuer im Gefängnis: gefährlich und gefangen

Über 20 Jahre war Sandro Stocker in einem komplett anderen Arbeitsbereich tätig. Er hatte Lust etwas komplett Neues im sozialen Bereich anzupacken. Deswegen hat er sich auf die ausgeschriebene Stelle im Gefängnis als Betreuer beworben. Das Glück ist auf seiner Seite, als er nach einem Vorstellungsgespräch und einem Schnuppertag die Stelle bekommt. Von diesem Tag an weiss er: «Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen».

Der Arbeitstag im Gefängnis kann er auf unterschiedliche Weise beschreiben. Sandro sagt: «Man weiss nie was auf einen zukommt.» Manchmal gibt es sehr ruhige Tage und handkehrum kann es plötzlich aus dem Nichts einen Vorfall geben. Oder ist das sein Traumberuf mit kriminellen Leuten zu arbeiten? «Nein, aber es lohnt sich!», erzählt er mit einem erfreuten Gesicht. Grundsätzlich sieht man hinter jeder Person den Menschen und nicht die Tat. Man muss wissen, dass die meisten früher oder später wieder aus der Haft kommen. Es geht auch darum die Gefangenen auf ein straffreise Leben vorzubereiten und damit konfliktfrei durch das Leben zu gehen, dabei ist der Ausdruck «Resozialisierung» ein wichtiges Wort. Für Sandro ist der Kontakt zu Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen motivierend und es fasziniert ihn mit Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zu arbeiten. Ausserdem hat er auch Kontakt zu diversen internen und externen Anspruchsgruppen wie zum Beispiel Staatsanwaltschaft, Polizei, Behörden, Anwälte oder Psychiater.

Sein Arbeitsalltag drückt er als ‘speziell’ aus. Als Betreuer ist er die erste Ansprechperson für Gefangene. Er stellt die Tagestrukturen im Haftalltag der Gefangenen sicher. Dies beinhaltet zum Beispiel auch Zuführungen von Gefangenen zu den entsprechenden Stellen oder das gemeinsame Mittag- oder Abendessen. Dazu gehören auch viele administrative Aufgabe, wie Beobachtungsprotokolle oder Vorfallprotokolle schreiben oder verrechnen von Gefangenenbezüge. Je nach Haftstatus und/oder Haftauflagen sind diese unterschiedlich. Die Untersuchungshaft ist das strengste Regime, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, sind die Einschränkungen am grössten. Gefangene sind 23 Stunden eingeschlossen und haben pro Tag nur für eine Stunde die Möglichkeit für einen Spaziergang im Hof. Es ist zum Beispiel nicht erlaubt zu telefonieren und der Briefverkehr wird durch den Staatsanwalt kontrolliert. «Zum Glück haben die Gefangen einen Fernseher in der Zelle und dürfen da auch rauchen, ansonsten würde es sicherlich mehr Unruhe geben.», bemerkt Sandro. Später, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, gibt es diverse Hafterleichterungen wie Arbeitspflicht, Bildungs- und Sportmöglichkeiten oder Freizeit in der Gruppe. Neben der Arbeit haben die Gefangenen somit viel Freizeit, welche sie in ihrer Zelle oder in der Abteilung verbringen. Durch das Leben auf engstem Raum, kann es somit schon mal zu Auseinandersetzungen unter Gefangenen kommen. «Aber meistens geht es ruhig und gesittet zu und her!», sagt Sandro Stocker.

Um als Betreuer im Gefängnis mit heiklen Situationen gut umgehen können, braucht es viel Lebenserfahrung. Ausserdem muss er eine offene Haltung gegenüber Neuem haben und entsprechend rasch praktische Lösungen finden. Wichtige Anforderungen sind das Verständnis und die Erfahrung im Umgang mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen und auch mit Menschen aus anderen Kulturen. Eine andere grosse Herausforderung ist die Arbeitszeit. Als Betreuer muss er teilweise sehr früh beginnen, weil der frühste Dienst um halb sechs Uhr morgens beginnt. Sehr oft macht er auch Spätdienst von zwölf Uhr bis um halb neun Uhr abends. Zwei- bis dreimal im Monat muss er dort übernachten und einen Pikettdienst übernehmen. Am Morgen geht es dann jeweils gleich wieder mit einem Frühdienst weiter. «Man muss flexibel sein, hingegen ist aber die Arbeitszeit gar nicht flexibel».

Es gibt immer mehr Personen mit psychischen Auffälligkeiten. Dies führt automatisch zu schwierigen Situationen. Es gab aber auch schon Suizidversuche oder Personen, die ihre eigene Zelle in Brand gesetzt haben. In solchen Situationen muss schnell reagiert werden.

Und dennoch kommt die Frage auf, ob dieser Job nicht gefährlich sei. Für ihn sei es am Anfang sicher sehr komisch gewesen, täglich mit so vielen kriminellen Leuten in Kontakt zu sein, inzwischen sei dies aber normal. Grundsätzlich wisse man dort drinnen mit wem man Kontakt habe und kenne jede Tat. Im Gegenzug, wenn man draussen über den Bahnhofplatz gehe, wisse man ja nie, ob man einer gefährlichen Person begegne. Von dem her fühle er sich drinnen fast sicherer. Und wie bereits erwähnt, schlussendlich komme fast jeder früher oder später wieder aus dem Gefängnis raus, wenn er seine «Strafe» abgesessen habe.

One comment

  1. Ich finde deinen Text wirklich sehr spannend geschrieben, man bekommt einen guten Einblick in den Beruf. Ich finde es auch ein sehr spannender Beruf.
    Deine Wortwahl war sehr treffend und abwechslungsreich.
    Der Text war sehr Verständlich.

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