Luca sass auf seinem Lieblingssessel und blickte auf die Uhr. Seine Lieblingsserie würde gleich zu Ende gehen, und zwar nicht nur die Folge, sondern auch die ganze Staffel. Leider musste er die letzte Folge allein anschauen, ohne seinen Vater Leonard. Seitdem Anna, Lucas Mutter und Leonards Ehefrau, gestorben waren, verbrachten sie fast keine Zeit mehr zusammen. Die Serie war das Einzige, was sie noch zusammenschweisste. Becky, die Babysitterin, passte seit Jahren auf Luca auf. Sie war erst 18 geworden und brauchte das Geld, um sich neue Schuhe und Schminke kaufen zu können. Typisch Teenager-Mädchen.
Luca betrat die Küche und sah, wie Becky mit jemandem am Handy redete. Sie trug ein schwarzes Kleid, das ihr zu eng war, und zu hohe Absätze. «Wohin gehst du?», fragte Luca. «Entspann dich, ich bin auf eine Party eingeladen. Dein Vater wird bald hier sein, benimm dich nicht wie ein Baby!»
Sie schlug die Türe hinter sich und liess Luca allein. Er ging ins Badezimmer, wo er sich im Spiegel betrachtete und traurig wurde. Er vermisste seine Mutter Anna sehr. Im Spiegel sah er die Türe, die sein Vater immer schloss, bevor er zur Arbeit ging. Dieser Raum war tabu für Luca. «Du darfst dieses Zimmer nie betreten, hast du das verstanden, Luca!», erinnerte er sich sich an die wütenden Worte seines Vaters und begann nachzudenken. Er kam der Türe näher und sah sich das Schild an, worauf fett «Keine unerwünschten Gäste erlaubt» stand. Luca bemerkte plötzlich, dass sie leicht offenstand. Leonard hatte wohl vergessen, die Türe zu schliessen. Als Luca den Raum betrat, überwältigte ihn ein schlimmer Gestank, den er nicht zuordnen konnte. Der Raum war mit einem kleinen Licht beleuchtet, der Boden mit Blutflecken übersät. Auf dem Tisch lagen Arztutensilien und ein Bolzenschussgerät. Luca war verwirrt. Wofür brauchte das sein Vater? Der Raum war das alte Badzimmer der Familie, weshalb in der Ecke eine Badewanne mit grünen Vorhängen stand. Luca
lief zur Badewanne und machte die Vorhänge auf. Eine tote Frau. Sie hatte keine Augen und keine Fingernägel mehr, ihr lebloser blutiger Körper lag einfach so da. Vor Angst stolperte Luca über seine eigenen Füsse. Was er aber nicht merkte, war, dass sein Vater direkt hinter ihm stand mit dem
Bolzenschussgerät. Luca nahm die Pinzette vom Tisch und stach seinem Vater in ein Auge. Er rannte
verwirrt und hysterisch aus dem Haus. Er stand auf der Strasse und fiel in Ohnmacht. Am nächsten
Morgen wachte Luca in seinem Bett auf. War das alles nur ein Traum?