Zum Thema «ein ungebetener Gast».
Als ich die Nachricht erfuhr, überzog es mich mit einer Gänsehaut. Sie fuhr meine Arme und Beine hoch und erfüllte meinen ganzen Körper mit einem Zittern. Einem Zittern der Hilflosigkeit und der Angst. Alles weitere blendete ich aus und starrte mit einem Tunnelblick ins schwarze Nichts. Die Frage, die sich in dem Moment wahrscheinlich alle stellen würden, ist: «Warum passiert das genau uns?» Und genau diese Frage stellte ich mir auch. Ich stelle sie mir noch heute, einige Jahre später. Ich wusste, dass wir nicht die Einzigen sind. Viele Menschen sind von der Situation betroffen. Wie sie alle damit umgehen können? Keine Ahnung.
Am Morgen fiel mir nichts Spezielles auf und auch im Verlaufe des Tages war alles normal. Nicht einmal während des Abendessens bemerkte ich etwas. Keinen Blickaustausch, keine komischen Bemerkungen, keine merkwürdige Spannung. Erst der Satz, «wir müssen euch etwas sagen», liess mich aufhorchen. Schon dieser Anfang versprach keine gute Fortsetzung. Ich wusste noch nicht, was auf uns zukommen würde. Das wusste keiner.
Wenn ein besorgter und trauriger Blick auf das Gesicht deiner Eltern gemeisselt ist, weiss man, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste. Diese Stille der Ungewissheit, während sie nach den richtigen Worten suchten. Erst dann fiel mir die Bedeutung dieses Wortes auf. Das Tier, der Nachname und das Sternzeichen, welche unter dieser Last existieren. Ich kenne keine Person, die den Krebs als ihr Lieblingstier nennen würde.
Je mehr Zeit vergeht desto mehr verblassen die Erinnerungen an diese Zeit. Kaum hatten wir die Nachricht erfahren, ging es los mit Operationen und Chemotherapien. Eines Tages kam ich nach Hause und da stand sie. Mit müdem Blick, angespanntem Körper und ohne Haare auf dem Kopf. Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Erst dann realisiert man, dass es wirklich wahr ist. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Jemand rüttelt an deinen Schultern und will, dass du aufwachst, doch du bist wie gelähmt. Als drehe sich die Erde plötzlich in die falsche Richtung und nichts ist mehr, wie es war. Den Mittag verbringst du bei Freunden. Die Wochenenden im Krankenhaus. Die Nacht mit Weinen. Es tauchen Dinge auf, die vorher nicht da waren: Kopftücher, Perücken, Medikamente. Die Zeit bleibt stehen und du hoffst nur noch aus diesem Alptraum aufzuwachen. Nun ist die Frage, geht der ungebetene Gast nach einer Weile wieder oder nistet er sich ein und übernimmt eine Person vollends.