Der demokratischste Job der Schweiz: Präsident der JUSO

Es ist der 19. Juni 2022, in der Aula des PROGR ist es stickig. Nicht nur, weil es draussen über 30 Grad sind, sondern auch, weil sich fast 300 Personen in den Saal pferchen. Sie alle sind hier, um den neuen Präsidenten der Jungsozialist*innen Schweiz zu wählen. Zur Wahl stehen Nicola Siegrist und Thomas Bruchez. Beide stellen sich vor, halten eine letzte Rede, dann wird gewählt und bald ist klar: mit 155 zu 105 Stimmen heisst der Gewinner Nicola Siegrist. Er ergattert somit einen der wenigen demokratisch gewählten Jobs der Schweiz. Sofort wollen Journalist*innen ein Interview führen. Von nun an ist er das Gesicht der Jungsozialist*innen, kurz JUSO, und wird vermehrt ein Leben in der Öffentlichkeit verbringen.

Dass er an diesen Punkt gekommen ist, verwundert nicht. Sein Vater ist Co-Präsident des Vereins Klimaschutz. Dieser lanciert 2018 die Gletscherinitiative, welche schon seit Monaten mit ihren Fahnen viele Häuser verschönert. Nicola selber beginnt ebenfalls mit Klima-Aktivismus, stösst über den Klimastreik und durch Freunde zur JUSO. So verwundert auch nicht, dass einer seiner ersten grossen Fernsehauftritte in der «Arena» zum Thema «Alles erlaubt beim Klima?» ist. Dort macht er klar, dass extreme Aktionen legitim sind, doch sollte man die Verursacher dabei stören und nicht Ottonormalbürger*innen. «Radikal ist, dass man seit 40 Jahren zuschaut, wie wir auf eine Klimakrise zusteuern. Auf diese Problematik hinzuweisen, ist nicht radikal, sondern mehr als nötig», stellt Nicola Siegrist klar.

Als Präsident der grössten Jungpartei muss er auch schweizweit Aktionen planen. Die Haltung, dass Störaktionen legitim sind und dass die JUSO nach den Pandemiejahren wieder vermehrt auf solche setzen sollte, stellt er auch unter Beweis. Kurz vor der Lancierung der neusten Initiative der Jungsozialist*innen Schweiz, genannt «Initiative für eine Zukunft», stürmt er deshalb die Lobby des Bürgenstock-Resorts, welches in katarischer Hand ist. Selbstsicher ruft er Parolen in ein Megafon, macht klar, dass dieses Resort mit Geld aus dem Ölgeschäft finanziert ist und als Klientel das reichste Prozent der Welt ansteuert. Dies schadet der Umwelt, treibt den Klimawandel weiter voran. Als Securitys an ihm reissen, ihn aus der Lobby zerren wollen, macht er unbeirrt weiter. Er stoppt nur einmal kurz, um den Basismitgliedern der SP-Jungpartei zu signalisieren, dass sie hochgehen, das 15 Meter lange Transparent über die Glasfront des Hotels enthüllen und danach über Wanderwege fliehen sollen. Denn ihm ist auch wichtig, dass möglichst viele der Anwesenden von polizeilichen Repressionen verschont werden. Der Plan gelingt, die meisten kommen ungeschoren davon. Siegrist ist einer der wenigen, welche lebenslanges Hausverbot auf einem Gebiet von 82 Fussballfeldern erhält.

Dass Nicola auch mal auf bewusste Provokation setzt, überrascht nicht, bedenkt man, dass er, bevor er in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz kommt, zunächst als Vorstandsmitglied der JUSO Stadt Zürich und dann Co-Präsident der Sektion fungiert. Eine Sektion, welche dafür bekannt ist, Aktionen zu planen und umzusetzen, welche auch mal am Rand der Legalität sind. Auch dort macht er sich schnell einen Namen als Vollblut-Politiker. Wird in den Zürcher Kantonsrat gewählt, in welchem er neben seinem Geografiestudium und seinem Hobby, dem Handball, alles gibt für eine sozialgerechte Politik im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz. Er fällt auf mit starken Argumenten, die er mal ernst, oft aber mit seinem bekannten verschmitzten Lächeln präsentiert.

Siegrist ist es jedoch auch wichtig, dass nicht nur er im Rampenlicht steht. Allein kann man keine Partei führen, die 100’000 nötigen Unterschriften für die neue Initiative sammeln, Aufmerksamkeit auf diese leiten. So möchte er vermehrt das Licht auf den Rest der Geschäftsleitung lenken. Dies, auch weil der JUSO-Präsident bekennender Feminist sei, die Lorbeeren für die Arbeit von Frauen, sprich dem Zentralsekretariat bestehend aus Rosalina Müller und Mathilde Mottet, wie auch seiner Vize-Präsidentin Mirjam Hostetmann, einzuheimsen, sei ihm zuwider. Auch sein zweiter Vize-Präsident, Thomas Bruchez, möchte er verstärkt in der Öffentlichkeit sehen, einerseits weil auch dieser, wie die zuvor genannten, wertvolle Arbeit leistet, andererseits, weil die Romands in der Schweiz oft nicht genug Aufmerksamkeit erhalten. Klar ist, dass Siegrist anstrengende, aber auch spannende Jahre vor sich hat, seine Vorgängerin Ronja Jansen ist zum Beispiel insgesamt 3 Jahre lang Präsidentin. In der Politik weiss man nie, was als Nächstes passiert, vor allem in den letzten Jahren, in denen die Welt von Krise zu Krise schlittert. Die JUSO, unter der Führung von Nicola Siegrist, wird jedoch auf alles eine Antwort finden. Dies stellt sie immer wieder unter Beweis.

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